40 Jahre Gregor Samsa

"Du, horch amol, is Greecher wärd fei värzich." "All mächd, und des sagsd du mir net?" "Ich soch der's doch."

All mächderl naa. Naa? Doch, scho, wie die Zeit vergeht. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das erste Mal im Gregor Samsa war. Das liegt vermutlich daran, daß ich alles andere als nüchtern wieder raus gekommen bin. Offensichtlich hatte ich damals den Heimweg gefunden, sonst wäre ich immer noch unterwegs.

Das Gregor ist im Netz unterrepräsentiert. Der Beitrag im Frankenwiki gehörte sich mal aktualisiert (da steht noch: 34 Jahre), und das Gregor hat immer noch keine eigene Domain.

Wozu auch? Die angebotenen Waren und Dienstleistungen sprechen für sich selbst und werden durch die kostengünstigste und effektivste Variante der Werbung verbreitet: Mund-Propaganda. Das klappt seit 40 Jahren problemlos.

Auch das Auffinden der Lokalität. Obwohl das fast schon ein Intelligenztest ist. Paßt schon so. Dank des überdurchschnittlichen IQs der Gäste ist es so angenehm, auch mal alleine ins Gregor zu gehen: auch für Mädels.

Das Gregor heißt nach Kafka, aber für die zunächst angedachten, literarischen Aktivitäten bin ich wohl zu jung (außerdem mag ich Kafka nicht). Musikalische habe ich mitgemacht, Blues läuft sowieso immer von Konserve, und die Bilder sind ja nicht zu übersehen, mit denen sich etliche Künstler hier verewigt haben.

Was macht man nun im Gregor Samsa? Klar, was man immer in der Kneipe macht: Freunde treffen, babbeln, auch mal streiten. Leute kennenlernen. Essen und Trinken.

Was macht das Gregor so besonders? Die kunstgeschwängerte Atmosphäre. Rauchgeschwängert ist sie derzeit ja leider nicht mehr, und ich frage mich, ob die neueren Bilder wohl auch so lange halten werden wie die alten, wenn sie dauernd agressiver Frischluft mit unerträglich hohem Sauerstoffgehalt ausgesetzt sind.

Und noch? Den Winter mögen viele nicht, aber wenn er schon mal da ist, gibt es nichts Schöneres, als sich am heißen Bullerofen zu wärmen. Für mich ist das der Inbegriff der Gemütlichkeit. Oder des Behagens.

Also, Peter, 40 Jahre wird es heuer, Dein Baby.

Gregor Samsa - Der Schriftzug über der Küche.


Hm. Das alles ist nett, ja, aber ist es das, was das Gregor Samsa für mich ausmacht? Für mich persönlich? Dafür isses irgendwie zu glatt. Ich habe schon Fetzenräusche rausgetragen, und manchmal hatte ich bei Kneipenschluß noch keine Lust, ins Bett zu gehen. Also: ab in den Keller, Wein geholt und privat weitergesoffen, mit netten Leuten aus der Kneipe.

Hm. Das heißt so viel wie, daß die Kneipe für mich lange Zeit ein Ort des ernsthaften, professionellen Ethanolkonsums war. Seit ich Taxi fahre, geht das nicht mehr mit dem Job zusammen (das Ordnungsamt hat mich schon wegen meines Kampftrinkerausweises angeschrieben: der verfällt, wenn ich nicht schnellstens einige Besäufnisse nachweise), und damit fällt für mich ein durchaus nennenswerter Grund weg, überhaupt auf die Piste zu gehen.

FreundInnen treffen kann ich auch daheim, bei TGFOP und Kaffee statt VSOP und Ouzo, und da rauche ich, so viel es mir paßt: das ist die bittere Wahrheit.

Nochmal: was macht das Gregor für mich aus? Es ist ein Ort, den ich seit Jahrzehnten mag, und ich gebe die Hoffnung verflixt noch mal nicht auf, daß er das in meinen Augen völlig schwachsinnige Rauchverbot überstehen wird.

Es ist ein Ort, in dem seit 40 Jahren gesoffen und geraucht wird, schlau dahergeredet und manchmal auch erfrischend subversiv, und wenn es nach mir geht, bleibt das so. Sonst hocken wir alle irgendwann nur noch daheim vor irgendwelchen Bildschirmen. Das wäre das Ende der Kommunikation.

Also nochmal, Peter, vierzig Jahre wird es heuer,
Dein Baby, und paß bloß auf, daß es Dir bleibt: Dein Feuer.


Ein Gutes hat ja das Rauchverbot. Auf vielen meiner Bilder aus dem Jazzstudio sieht man die Musiker vor lauter Rauch nicht. Das Auge abstrahiert den Qualm, die Kamera dummerweise nicht. Trotzdem war das dortige Rauchverbot für mich seinerzeit Grund genug, die Mitgliedschaft im Klub zu lösen.


Gregor Samsa - so voll war es Am Abend des Gregor-Jubiläums war ich um kurz nach sechs in der Kneipe, berauschte mich an einem Wasser (vielmehr am kraftvollen Soundcheck des Herrn Brandl), und es war so tierisch gemütlich, daß ich mich richtig losreißen mußte.

Ich machte einige Fahrten mit dem Taxi, und um elf entschloß ich mich, die Kamera einzupacken. Vorm Gregor angekommen, sprang mir gleich das erste Pärchen ins Taxi. Sie wollten aber noch gerne fertig rauchen, so daß ich doch noch zu ein paar Bildern kam, als Garnitur für diesen Text. Vielmehr gekommen wäre, denn die Kneipe war so voll, wie ich es befürchtet hatte. Ich kam nicht einmal bis zur Säule und knipste ein paar Schüsse, die erwartungsgemäß nur jeweils einen Hinterkopf des tanzenden Paares (Peter und Ursel) zeigen. Trotzdem freute ich mich: ich war genau zum rechten Moment gekommen.

Und ich war überhaupt nicht mehr unglücklich, von dem Abend nur kurze Bruchstücke erlebt zu haben: ich liebe es, wenn meine Lieblingskneipen gerade voll genug sind, daß sich nette Begegnungen ergeben. Und ich liebe es ausdrücklich nicht, wenn sie so voll sind, daß man sowohl bei der Betankung als auch der Entsorgung Schlange stehen bzw. sich durch Menschenmassen quetschen muß. Aus dem Alter bin ich raus.

Der Füllstand einer Kneipe ist eine Sache, bei der meine Vorlieben den Interessen der Wirtschaft durchaus zuwiderlaufen. Andererseits: wenn die Bude eh schon voll ist, kommt es auf mich nun auch nicht mehr an.


Als ich mich an diesen Text herantastete, recherchierte ich im Netz. Mit dem Gregor Samsa sind natürlich diverse Künstler verbandelt, meine persönlichen Assoziationen schließen aber auch weitere Lokalitäten ein, die ich auch mag oder zumindest kenne. Ist es ein Schaden, gerade letztere hier zu nennen? Würde das etwa potentielle Gäste vom Gregor "wegziehen"? Ich meine: nein, und zwar deshalb, weil das Netz in beide Richtungen funktioniert. Die Erwähnung anderer Kneipen (das Einfügen von links überhaupt) führt dazu, daß Personen, die etwas anderes bei google suchen, denn auch diesen Text zu sehen bekommen, in dem es primär um das Gregor Samsa geht. Insofern finde ich den Effekt unterm Strich positiv.

In der Nacht war ich dauernd unterwegs, so daß ich das Gregor leider nicht mehr anfahren konnte. Dafür machte ich bei geeigneten Fahrgästen Werbung für das Jubiläum, unter anderem bei einer Frau, die ich im Café Express einlud (ich erwähne das Express deshalb, weil es sich lobenswerterweise bis vor ein, zwei Wochen dem Rauchverbot widersetzt hatte). Sie sagte: "Ja, ja, ich weiß schon, ich bin die Freundin vom Keili, und heute abend spielt der Peter Hammer dort." "Und, ist der Keili dann auch im Gregor?" "Nee." Welch Abtrünniger!

Aber der Keili war ja seit jeher ein Kind der Südstadt bzw. von St. Peter. Und er war oft genug in Immeldorf beim Walter, dessen "Weißes Roß" mir nämlich genau wegen des Bullerofens auch immer gut gefallen hatte. In gewisser Weise ist es das ländliche Pendant zum Gregor.

So, jetzt hab ich die Kneipen durch.

Verbleiben die Künstler. Ich erwähne nur die, die ich persönlich kenne:

Klaus Brandl war vor einigen Jahren einer meiner härtesten Schachpartner. Er ist im Internet nicht groß selbst aktiv. Erwähnt seien www.der-andere-klang.de und das Bardentreffen.

Dan Reeder hat eine englischsprachige homepage, steht im deutschen Wiki und singt auf youtube z.B. seinen animierten Work Song oder Clean Elvis.

Peter Hammer hat die Hammerwerke, und der Gernstl, der alte Sympanth, hat ihn auch schon besucht. Außerdem spielt er regelmäßig mit Keili Keilhofer (der kriegt keinen Link, weil er nicht da war, so!) (Quatsch, wer wird denn so kleinlich sein? Der Keili bastelt grad an seiner homepage, die ist momentan nicht grad informativ).

Mitch Sauer ist im Netz für meinen Geschmack deutlich unterrepräsentiert. Er könnte auch mal bei youtube einziehen, z.B. mit ein paar geilen Klezmer-Nummern, steht aber wenigstens im Jazz-Kalender.

Harri Schemm ist da schon munterer, auf seiner www.harrischemm.de oder mit youtube auf Samos.

Den Jackie Leven kenne ich nicht, und das Konzert hab ich wiederum leider nur en passant mitbekommen. Er war schon überall, also natürlich auch im Gregor.

Albert Küffner vor dem Gregor SamsaNoch wer? Der Albert Küffner. Er ist auch ein Künstler: in der Küche und am Fahrzeug. Wenn er eine Webpräsenz für seine Oldtimerwerkstatt hätte, würde ich ihn hier verlinken; so bleibt es beim Bild: er hat sich mutig ins Getümmel gestürzt.



Nun? Alles Liebe für das Gregor Samsa und alle, die dazugehören!

Vom Doppelmicha

02.11.2010